Das Erstarken der AfD hat unserer Gesellschaft gezeigt, dass es notwendig ist, ausdrücklich für demokratische Werte und gegen Rechtsextremismus einzustehen. Hunderttausende Demonstranten versammeln sich seit Wochen regelmäßig in deutschen Innenstädten, um ihre Stimme gegen die aufstrebende Rechtsextreme zu erheben – und das ist richtig gut so!

Gleichzeitig ist eine Beobachtung besonders interessant: während auf den zahlreichen Demonstrationen die so notwendigen und richtigen Positionierungen gegen rechtes Gedankengut vereinen, kommen aus Teilen dieser Bewegungen Stimmen gegen eine Personengruppe, die man normalerweise eher aus dem rechtsextremen Spektrum verortet hätte. Die Stimmen gehen über die legitime Kritik an der israelischen Politik hinaus und münden zunehmend in antisemitischen Aktionen. Es fing bereits kurze Zeit nach dem 7. Oktober 2023 mit Markierung von „jüdischen“ Gebäuden an und mündet inzwischen in offener körperlicher Gewalt gegen Menschen, die ihren jüdischen Glauben offen nach außen tragen.

Der jüngste und brisanteste Fall spielte sich im Umfeld der Freien Universität Berlin ab, als zwei Studenten aneinander gerieten. Nun sind Streitigkeiten und Auseinandersetzungen – im schlimmsten Fall auch körperlich – etwas, das in Berlin durchaus vorkommt. Allerdings liegt der Hintergrund dieser besagten Streitigkeit darin begründet, dass ein Student beim Feiern einen anderen Studenten entdeckte, ihn offenbar für seinen jüdischen Glauben und seine Haltung zu Israel zur Rede stellte und ihn daraufhin körperlich angriff.

„Nie mehr“ muss mehr als nur ein Pappschildslogan sein

Die Reaktionen, die aus der Politik, aber auch aus der Zivilgesellschaft, zu vernehmen waren, sind – gelinde gesagt – enttäuschend. Von der Distanzierung der Berliner Wissenschaftssenatorin, die sich mehr oder weniger hinter Phrasen versteckt bis hin zur halbherzigen Äußerung der Freien Universität, die es eigentlich ermöglichen sollte, ihren Studentinnen und Studenten ein angstfreies Studieren an der eigenen Universität zu gewährleisten.

Wie ernst es mit „nie mehr“ ist, zeigt sich gerade in einer solchen Situation und nicht anhand bunter Pappschilder auf Demonstrationen. Wir alle sollten die Zivilcourage im Alltag stärker zeigen und weniger auf instagrammable Symbolpolitik setzen. Denn nur dann ist es wirklich möglich, dem rechtsextremen Gedankengut etwas entgegenzusetzen.