Der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellte Jahreswirtschaftsbericht stimmt sehr nachdenklich. Auf gerade mal 0,2 Prozent wird das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes beziffert. Das ist deutlich weniger als die noch im Herbst prognostizierten 1,3 Prozent. Als „Dramatisch schlecht“ bezeichnet der Bundeswirtschaftsminister die Entwicklungen. Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert nicht weniger als eine „Wirtschaftswende“.

Ursachen für wirtschaftliche Entwicklungen sind vielfältig

Habeck begründet die getrübte wirtschaftliche Lage unter anderem mit dem historisch niedrigen Wachstum des Welthandels und  hohe Zinsen, die Investitionen der Unternehmen erschweren würden. Auch die Sparzwänge des Bundes nach einem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sieht Habeck als großen Faktor.

Darüber hinaus seien strukturelle Probleme wie die aufgeblähte Bürokratie ein Faktor, der behoben werden müsse. Das wird zwar bereits seit Jahren von verschiedenen politischen Seiten und Regierungen so benannt, dennoch hat sich hier leider bislang zu wenig getan. Habeck benennt daher die Notwendigkeit eines „Reformboosters“, an dem die Bundesregierung arbeiten müsse, die „Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandortes zu verteidigen.“

Neben der Bedürftigkeit nach Reformen sei für Habeck auch der Arbeitskräftemangel eines der Hauptprobleme, die gelöst werden müssen.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner spricht wichtige Pain Points der deutschen Wirtschaft an. Insbesondere die Themen Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, Stärkung des Arbeitskräfte- und Fachkräfteangebots durch bessere Erwerbsanreize beim Bürgergeld, mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Renteneintritt sowie stärkere Anreize für ausländische Kräfte, Bürokratieabbau, und die Senkung der Energiepreise seien von Bedeutung.

Die von Habeck und Lindner ausgemachten Probleme, die primär gelöst werden müssen, liegen also gar nicht soweit auseinander. Die Unterschiede liegen in der Lösungsfindung: Während Lindner die von ihm als notwendig befundene „Wirtschaftswende“ nur im Rahmen der Schuldenbremse seitens des Staates angekurbelt werden könne und die Politik sich lieber auf die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für Unternehmen fokussieren sollte, regt Habeck die Bereitstellung eines „Sondervermögens an, sprich: die Aufnahme neuer Schulden, um die Wirtschaft zu boosten.

Wachstumschancengesetz soll die Lösung sein

Mit dem „Wachstumschancengesetz“ will die Bundesregierung einen ersten Schritt gehen, um die Rahmenbedingungen für Unternehmen an die aktuelle Weltlage anzupassen. Nach zähen Verhandlungen wurde das Gesetz am 21. Februar im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angenommen. Allerdings ist die Zustimmung des Gesetzes im Bundesrat im März weiterhin in Gefahr, da die Unionsfraktion dagegen stimmte.

Als Grund hierfür gibt die Unionsfraktion an, dass die Entlastung der Landwirte in dem Gesetzentwurf keine Berücksichtigung finde. Kritik findet sich aus der Politik wie aus der Wirtschaft. Während Vertreter primär kritisieren, dass ein solches Gesetz ohnehin schon zu spät für die deutsche Wirtschaft komme, ist das Unverständnis darüber, dass die Unionsparteien eigens für die Interesse der Landwirtschaft die Gesamtwirtschaft in Geiselhaft nehmen, immens.

Es ist zum einen sehr verständlich und nachvollziehbar, dass die Unionsparteien zu recht ihren Standpunkt vertreten, dass die in den vergangenen Jahren stark gebeutelte Landwirtschaft im Konjunkturprogramm berücksichtigt wird. Zum anderen ist es jedoch tatsächlich  ein eher unglückliches Zeichen, wenn alle anderen Unternehmensbranchen ebenfalls darunter leiden dürfen. Es sollte in dieser Phase einzig um die Stärkung der deutschen Wirtschaft gehen und weniger um Partikularinteressen. Die Zeit ist überfällig, dass aus der Politik endlich eine einigermaßen einheitliche Marschrichtung vorgegeben wird, damit der Wirtschaftsstandort sein Potenzial ausschöpfen kann.